Katholisches Gesangbuch

Liturgiekonstitution   

Wesentliche Aspekte

Die Konstitution über die heilige Liturgie beginnt mit den Worten „Sacrcosanctum Concilium“ (SC). Sie ist das erstes Dokument des Vaticanums II, veröffentlicht am 04.12.1963, genau 400 Jahre nach der Schlusssitzung des Trienter Konzils (1543-1563). In sieben Kapiteln und 130 Artikeln behandelt es wichtige Aussagen über das Wesen der Liturgie, u.a. auch Gesang und Musik.

Im dritten Kapitel (Art.21-40) geht es «um das kühne und entscheidende Prinzip, dass die Formen der Liturgie vom christlichen Volk als Ausdruck seines eigenen Betens und Opferns zu verstehen und mitzuvollziehen sind und dass im besonderen ihr Sinn darin erblickt werden muss, das Heilige in Wort und Ritus deutlicher auszusprechen» (J.A.Jungmann, LThK/EbI.). Dass die Liturgie diesen Anliegen schon seit Jahrhunderten nicht mehr gerecht wurde, hat die Liturgische Bewegung seit geraumer Zeit immer eindringlicher angemahnt. Das Konzil machte sich diese Kritik zu eigen und stellt fest, die Liturgie enthalte neben Unveränderlichem auch «Teile, die dem Wandel unterworfen sind. Diese Teile können sich im Verlauf der Zeit ändern, oder sie müssen es sogar, wenn sich etwas in sie eingeschlichen haben sollte, was ihrer innern Wesensart (intimae naturae) weniger entspricht oder wenn sie sich als weniger geeignet herausgestellt haben» (SC 21).

Mehr noch: Trotz Traditionstreue soll «einem berechtigten Fortschritt die Tür aufgetan werde(n) ...» (SC 23). J.A.Jungmann lässt spüren, wie sehr dieses Vorhaben als neu und gewagt empfunden wurde: «Eine so einschneidende Neuordnung war in der Vorbereitenden Kommission erst allmählich, und dann nur unsicher tastend, ins Augegefasst worden ... Es hat im Konzil nicht an Stimmen gefehlt, die ... den bisherigen Stand des Liturgischen Rechtes ungeschmälert festzuhalten wünschten» (LThK/EbI, 33).

Das heuristische Prinzip auf diesem Weg war der Begriff «natura», das, «was der innern Wesensart  der Liturgie entspricht» (SC 21, 28, vgl. auch 13,14, 27, 62, 72). Er findet sich in der SC siebenmal. Der jeweilige Kontext macht deutlich, dass man ihn am besten mit «Wesen», «Wesensart» wiedergibt. Dieser befreiende Passepartout zum Verständnis von liturgischen Riten und Vollzügen hat völlig neue Sichtweisen geöffnet. Er zwingt, sich auf das Wesentliche zu besinnen und schärft den Blick für rubrikale Verkrampfungen. Auf diese Weise lassen sich Wesenselemente der Liturgie direkt ableiten. Nennen wir zwei wichtige Stichworte, die auch für Gesang und Musik zu einem Paradigmenwechsel führen: Die Tätige Teilnahme und die Funktionalität.

Die Rezeption der Liturgiekonstitution des Vaticanums II ist noch nicht abgeschlossen. Sie wird aber aller Voraussicht nach zu einer Liturgie von einer weitaus grösseren Vielfalt führen, als es die Väter des Vaticanums II ahnen konnten. Auf diesem Weg wird es «Spannungen und Auseinandersetzungen, überzeugende Lösungen und Fehlentwicklungen geben. Was es aber nicht geben darf, ist die lähmende Angst, die uns hindert, diesen Weg zu beschreiten.» Der Weg der Liturgie in unserer Situation muss darin bestehen, dass einzelne Gemeinden im  Austausch miteinander stehen, «sei es so, dass sie voneinander lernen und geglückte Formen des Gottesdienstes voneinander übernehmen, sei es, dass sie im Bewusstsein ihrer Eigenart verschiedene Wege gehen, ohne deshalb die der anderen zu verurteilen. Das alles sind nicht Zeichen der Schwäche, sondern der Stärke einer Kirche» (H.B.Meyer), die in einer säkularisierten Gesellschaft darauf angewiesen ist, eine Lebens- und Liturgiegemeinschaft zu bilden.

Begriffliche Anmerkungen

 

11

«…darüber wachen, … dass die Gläubigen bewusst, tätig (actuose) und mit geistlichem Gewinn daran teilnehmen.»

 

14

«Die …Kirche wünscht sehr, alle Gläubigen mögen zu der vollen, bewussten und tätigen Teilnahme (ad plenam illam, consciam atque actuosam liturgicarum celebrationem participationem ducantur) … geführt werden…»  «Diese volle und tätige Teilnahme des ganzen Volkes ist bei der Erneuerung und Förderung der heiligen Liturgie aufs stärkste zu beachten …»

 

21

« …dass das christliche Volk sie (d.h. die Riten) möglichst leicht erfassen und in voller, tätiger (plena, actuosa) und gemeinschaftlicher Teilenahme mitfeiern kann. »

 

30

«Um die tätige Teilnahme zu fördern (ad actuosam participationem promovendam), soll man den Akklamationen …, den Antworten, dem Psalmengesang, den Liedern … den Körperhaltungen Sorge zuwenden. »

 

48

«… so die heilige Handlung bewusst, fromm und tätig (conscie, pie et actuose) mitfeiern, sich durch Wort Gottes formen lassen …»

 

40

«… in der Gestalt seiner Riten seelsorglich voll wirksam werde… (plenam pastoralem efficacitatem assequantur) »

 

50

«Der Mess-Ordo soll überarbeitet werden, dass der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Teilnahme (actuosa fidelium participatio) der Gläubigen erleichtert werde. »

 

54

«Es soll Vorsorge getroffen werden, dass …die Christgläubigen die ihnen zukommenden Teile des Mess-Ordinariums …miteinander …singen können. (quae ad ipsos spectant possint …cantare. »

 

113

«Ihre vornehmste Form …, wenn der Gottesdienst feierlich mit Gesang gehalten wird …und das Volk tätig teilnimmt. (Officia sollemniter in cantu celebrantur …populus actuose participet.) »

Walter Wiesli




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