Antwortpsalm
Es entspricht der innern Dynamik der Verkündigung des Wortes Gottes, dass die Hörenden darauf antworten. Dem an sie ergangenen Wort entspricht die Ant-Wort, der Actio Gottes die Re-actio des Menschen. Dies erklärt, weshalb der Antwortpsalm zu einem Wesenselement des Wortgottesdienstes erklärt wurde. Eine kühne Begründung könnte sein: Wir antworten Gott mit seinem eigenen Wort, wir dürfen ihn «beim Wort nehmen».
Bedeutung des Antwortgesangs
Der Antwortgesang ist ein «integrierender Bestandteil des Wortgottesdienstes». Denn es entspricht der innern Dynamik der Verkündigung des Wortes Gottes, dass die Hörenden in der Begegnung mit Gott in seinem Wort entsprechend antworten. Eine Antwort in Form des Psalms ist im 4. Jh. sowohl
bei Augustinus in Nordafrika wie bei Ambrosius in Mailand bekannt. Ein plausibler Grund für die Wahl dieser literarischen Gattung der Heiligen Schriften könnte der Ausdrucksreichtum sein, wie er gerade in den Psalmen gegeben ist. Theologisch könnte gelten: Gott schenkt sich im Wort, wir dürfen ihn «beim Wort» nehmen und können uns darauf verlassen, dass er verlässlich und treu ist.
Wahl des Antwortgesangs
Die Grundsätze finden sich in AEM 36, 38, 39, in der Leseordnung 1989 und in den Rubriken der «Feier der Gemeindemesse» im deutschen Messbuch (1974).
- In der Regel nimmt man den im Lektionar angegebenen Psalm, der auf die Lesung abgestimmt ist. Im Internet finden sich die Antwortpsalmen des aktuellen Lesejahres mit jeweils passenden KG-Leitversen (www.kirchengesangbuch.ch).
- Möglich ist auch einer der 23 Commune-Texte, welche das Lektionar für alle Kirchenjahrzeiten anbietet (AEM 36). Diese Lösung wählt das KG-Cantionale.
- Möglich ist auch ein Text aus dem Graduale Romanum oder Graduale simplex.
Die Funktion des Antwortpsalms
Die Antwort lässt unterschiedliche Ausdrucksnuancen zu:
- Lobpreis: Der Grundton ist immer Dank und Lobpreis. Dank, Lobpreis, Hoffnung und Gehorsam schwingen in eins zusammen. Eine Verinnerlichung bedarf der Dauer; ein oder zwei Psalmverse genügen dazu nicht.
- Betrachtung: Der Antwortpsalm kann auch vor allem eine vertiefte Aneignung des gehörten Wortes zum Ziel haben. Psalmimpulse regen an, Gehalte der Botschaft betrachtend und verkostend anzueignen und zu vertiefen. Es kommen keine neuen Informationen dazu. Im Zusammenschwingen von Wort und Antwort wird der Wirkung der Botschaft Raum gegeben.
- Aktualisieren der prophetischen Dimension des Wortes Gottes: Dies geschieht nicht nur, wenn spezifisch prophetische oder eschatologische Texte vorgetragen werden. Der Psalmist und die Gemeinde erfahren das Wort Gottes immer als eine Inanspruchnahme, die auf den konkreten Alltag verweist. Es gibt aber auch Texte, die dies ganz explizit einfordern.
Formen
Den unterschiedlichen Funktionen entsprechen auch unterschiedliche Ausführungsmöglichkeiten.
- Responsorial: Die responsoriale Singweise ist die idealste Form. Dabei antwortet die Gemeinde mit einem einfachen Leitvers, den sie nach Möglichkeit auswendig singt. Es geht in dieser Form um mehr als lediglich um Aktivierung der Gemeinde. Im Austausch zwischen Gott und Mensch wird ein elementarer Grundzug der Liturgie deutlich. Die daraus erwachsende Dynamik wird sinnenhaft erfahrbar in der dialogischen Form der Antwort auf Gottes Wort.
- Gesprochen: «Wird der Antwortpsalm nicht gesungen, spricht man ihn» (AEM 39). Diese Anweisung der Allgemeinen Einführung ist nur eine Notlösung, schliesst aber immerhin die Möglichkeit mit ein, dass zumindest ein Leitvers gesungen wird. Dabei ist man in der Wahl eines passenden Leitverses frei. Auch hier gilt: Die Gemeinde sollte sich einen Grundstock einfacher Leitverse aneignen, womit sie jederzeit auswendig den Psalm umrahmen kann.
- Kehrverslos: Die AEM 36 sieht in Anlehnung an den Tractus im Graduale Romanum auch diese Möglichkeit vor. Sie wird eher eine Ausnahme bleiben.
- Andere Möglichkeiten:
Ein Lied: Die deutschen Richtlinien zur «Feier der Gemeindemesse» (1965) sehen auch den Einsatz eines Psalmliedes oder eines andern entsprechenden Gesanges als Möglichkeit vor. Die Schweizer Richtlinien (Juni 1967) hingegen sind demgegenüber rigoroser: «Er [der Antwortpsalm] soll nicht durch ein Lied ersetzt werden». Das KG gibt sich eine Spur toleranter (S. 104): «. . . er soll in der Regel weder durch ein Lied noch durch Instrumentalspiel ersetzt werden».
Instrumentalspiel: Während die AEM für den Antwortgesang keine Orgel- oder sonstige Instrumentalmusik vorsieht, wird von dieser Möglichkeit dennoch öfters Gebrauch gemacht. Wenn schon, müsste es sich um Meditationsmusiken handeln, die als «Assoziationshilfen sich konsequent der dazu geeigneten Mittel bedienen» (Erhard Quack).
Stille: Auch von Stille ist in der AEM im Zusammenhang mit dem Antwortgesang nicht die Rede. Nach Ansicht der meisten Kommentatoren muss es aus dem Wesen der Sache zu einer artikulierten Antwort kommen. Dem könnte man entgegenhalten, ein stilles Verweilen und Nachdenken über das Gehörte sei besser als nichts. Befürworter sehen in der Stille auch die bessere Lösung als in einem schlecht ausgeführten Antwortpsalm. Dies ist selbstverständlich keine ernst zu nehmende Alternative!
Ausführung
Von alters her wurde der Antwortpsalm solistisch ausgeführt. In der Praxis fällt er in der Regel dem Kantor oder der Kantorin zu. Der Antwortgesang soll am Ambo, nicht auf der Empore gesungen werden. Eine Orgelbegleitung kann den Gesang diskret begleiten, muss es aber nicht. Der absolute
Vorrang des Wortes bedingt eine gewisse Schlichtheit des musikalischen Aufwands. Die tonalen Elemente müssen eine rhythmische Profilierung zulassen. Missverständnisse in der Interpretation lateinischer Gesänge haben mitunter auch in der Psalmodie zu einem unmusikalischen Aequalismus (d. h. alle Töne sind gleich lang und gleich gewichtig) geführt. Diese vom Sprechrhythmus bestimmte Singweise – heute unter dem Begriff «Kantillation» bekannt – bedarf der Einübung und bewussten Pflege.
Der Antwortpsalm im Cantionale
- Das Cantionale bietet rund vierzig Antwortpsalmen aus dem Münchener Kantorale an, die im wesentlichen auf den Commune-Texten des Lektionars beruhen (23 Psalmen), die durch weitere Antwortpsalmen der gleichen Edition angereichert wurden. Den Vertonungen liegen modal charakteristische Tonmodelle zugrunde, die vermutlich auch dem Laienkantor leicht zugänglich sind. Die Versschlüsse sind nicht selten ohne Kadenzwirkung (Schlusswirkung), um den nachfolgenden Leitvers als integrales musikalisches Element einzubeziehen.
- Diesen Antwortpsalmen wird eine einfachere Singweise des gleichen Psalmtextes in der bekannten traditionellen Psalmodie des KG vorangestellt. Sie dient als Einstieg für weniger geübte Sänger und Sängerinnen. Wir sich in dieser Singweise Sicherheit erworben hat, wird sich gern allmählich in der Münchener Singweise versuchen, die teilweise ganz konsequent aus der traditionellen Singweise herausgewachsen ist. (vgl. 1. Adventssonntag).
- In vielen Fällen wird eine dritte Singweise mit der bereits bekannten KGB-Psalmodie angegeben. Der Leitvers ist dann den KG zu entnehmen, der Psalm findet sich im Cantionale.
- Bei besonderen Anlässen mag auch ein Wechsel zwischen dem Psalmisten und einer mehrstimmigen Chorpsalmodie angezeigt sein. Das Cantionale stellt einige «Falsobordone-Sätze» nach Cesare da Zacharia (vor 1590) zur Verfügung.
Das Cantionale erhebt nicht den Anspruch, die einzige und idealste Form einer Vertonung des Antwortpsalms anzubieten. Es besteht inzwischen eine reichhaltige Literatur, die den unterschiedlichesten Vorstellungen und Schwierigkeitsgraden zu entsprechen versucht. Es lohnt sich, auch diese Vertonungen einzusehen.