Katholisches Gesangbuch

Versöhnungsfeier   

VERSÖHNUNGSFEIER (Die zehn Worte aktualisiert)

Der Dekalog wird in zwei Fassungen überliefert: Ex 20,2-17 und Dtn 5,6-21. In beiden Fassungen offenbart sich Gott übereinstimmend mit zwei Wesensmerkmalen: Er befreit sein Volk vom Joch der Sklaverei und führt es in die Zukunft. Die Wegweisungen in die Zukunft sollen demgemäss nicht mehr knechten, sondern zum erfüllten Leben befreien. In diesem Sinn lassen wir uns in dieser Feier auf die Zehn Gebote ein als Hilfe und Ermutigung zu befreitem Leben, das uns in Christus verheissen ist

Eingangswort und Begrüssung

Gott, dessen Eigentum wir sind und der uns sorgsam in seinen Händen hält, sei mit euch.

Ich begrüsse Sie herzlich zu unserer Versöhnungsfeier. Dass wir trotz Fehlern und Schuld Gottes Eigentum sind, der uns sorgsam in seinen Händen hält, bekennen und besingen wir im Lied:

Lied

KG 566 / RG 701: Wir sind dein Eigentum.

Einführung

Gott ist mitten unter uns in seinem Wort. Jetzt ist es ein ganz spezielles Wort, das in die Bibel unter dem Sammelbegriff „Zehn Worte“, griechisch „Dekalog“, eingegangen ist. Allen zehn Worten oder Weisungen ist ein Satz mit Schlüsselfunktion vorangestellt: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der ich dich herausgeführt habe aus Ägypten, aus dem Sklavenhaus.“ (Ex 20,2) Zwei wichtige Aussagen stecken in diesem Satz. Der hebräische Name Jahwe besagt: Ich bin der, der für alle Zukunft für euch da sein wird. Was auch kommen mag, Gott ist bei und mit uns. Und das Zweite: Bevor Gott seine Gebote gibt, tut er kund: Ich bin ein Befreier-Gott! Seine Gebote wollen nicht knechten, sondern befreien. Dies verdeutlicht noch eine sprachliche Nuance: Im Hebräischen lassen sich die Gebote statt mit „du sollst“, auch als „du wirst“ lesen: „Du wirst keine anderen Götter haben….“ Die Gebote sind keine Verbote oder Befehle, es sind Weisungen, Wegweiser. So gilt für uns alle: Auch dich hat dein Gott in die Freiheit geführt. Er befähigt dich, auszubrechen aus allen Versklavungen und Fesseln, die deinen Weg zu Gott, den Menschen und zu dir selber behindern.

In der folgenden Besinnung formulieren wir die Zehn Gebote zunächst in der gewohnten Weise, fügen dann aber einen Satz an, der ihre Einladung verdeutlichen könnte.

Besinnung

Das Erste Gebot

„Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!

Oder:

Du darfst deinem Gott vertrauen, er genügt dir.

Selbst im aufgeklärten einundzwanzigsten Jahrhundert halten wir uns noch immer auf einem riesigen Markt von Göttern auf. Ihre Altäre heissen Devisen, Gewinne, Boni, Gold, Rohstoffe, Immobilien. Zwar sind deren Kulte in die Krise geraten, aber mit gewaltigen Anstrengungen wird alles getan, um die alten Riten am Leben zu erhalten. Es werden uns immer neue Opfer abverlangt für die unersättlichen Götter. Demgegenüber wird dir gesagt: Du darfst deinem Gott vertrauen, er genügt dir. Du brauchst dich nicht mit Geld und Macht abzusichern. Du bist von Gott gehalten. Lebe dein Leben, gestalte deine Welt. Was auch geschehen mag: Gott ist für dich da. (Kurze Stille)

  •   Vertraue ich Gott wirklich restlos, lasse ich mich fallen in seine Hände?
  •   Glaube ich, dass mich Gott trotz Fehlern und Schuld gern hat?
  •   Wie gehe ich mit Gott um in Zeiten von Krisen und Gottferne?

Das Zweite Gebot:

„Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren!“

oder:

Rufe deinen Gott beim Namen, er liebt es, dass du ihn ansprichst.

Im Gegensatz zu den Völkern im Umkreis kannte Israel den Namen seines Gottes. Aber aus Scheu vor seiner Heiligkeit und Grösse spricht es ihn nicht aus. Jesus spricht ihn aus, neu und zärtlich: Abba, Vater. Und er versichert, Gott sei auch uns ein liebender Vater. Doch trotz innigster Verbundenheit mit ihm, erfährt er am Kreuz eine abgrundtiefe Gottverlassenheit, eine Erfahrung, die allen Gottsuchern zugemutet wird. 

  •    Vertraue ich Gott auch dann, wenn ich ihn als fern und abwesend erlebe?
  •    Pflege ich mit Gott das Gespräch, das für alle Liebende wichtig ist?
  •    Kann ich vor Gott klagen und trotz Enttäuschung an seine Treue glauben?

Das Dritte Gebot:

„Gedenke, dass du den Sabbat heiligst!“

oder:

Der Mensch ist mehr als seine Leistung.

Die Sonntagsheiligung und Sonntagsruhe ist in Gefahr, eigentlich schon lange. Seinem Sinn nach ist der Sabbat ein Tag zum Aufatmen, damit der Mensch, sein Rind und sein Esel „zu Atem kommen“ (Ex 23,12). Der Sabbat erinnert auch daran, dass die Schöpfung in sich gut und wertvoll ist. Als ein Teil von ihr teilen wir die Freude des Schöpfers an deren Schönheit und an allen geschaffenen Dingen.

Auf diesem Hintergrund ist die pragmatische Sicht, die Menschen nur oder vorwiegend über ihre Leistung zu definieren, zutiefst unbiblisch. Jüdinnen und Juden, Christinnen und Christen heiligen den Sabbat als Vorausbild des ewigen Festes, das Gott uns im vollendeten Heil schenken will.

  •   Der Sonntag schenkt mir die Zeit und Chance, auf Gott und die Mitmenschen zuzugehen. Wie nutze ich sie?
  •   Im Gottesdienst feiern wir unser Glauben und teilen wir unsere Hoffnung. Wie halte ich  es damit?
  •   Beurteile ich Menschen nur nach Leistung und Prestige? Achte ich für die Einfachen und Schwächeren?

Das Vierte Gebot:

„Du sollst Vater und Mutter ehren!“

oder:

Verletzliche und Ungeschützte dürfen mit deiner Sorge rechnen.

Mit dem Vierten Gebot wird die zweite Tafel (vgl. Ex 32,15) der Zehn Gebote eröffnet. Ausgehend von der Sorgepflicht für die alternden Eltern meint es umfassender auch das Verhältnis der

Generationen zueinander. Sie sollen im Land der Verheissung in Eintracht und Friede beisammen wohnen. Als ihr Befreiergott und Anwalt der Schwachen und Ausgegrenzten (Gen 4,15) macht Gott das Verhältnis zum Mitmenschen zum Massstab echter Gottesbeziehung.

  •    Trage ich Sorge für jene, die nicht (mehr) produktiv sind und die den Sabbat ihres Lebens feiern?
  •    Wie gebe ich mich aktiv und kreativ hinein ins Zusammensein in Familie, Beruf und Gesellschaft?
  •    Kann ich mich freuen an den Begabungen anderer oder empfinde ich sie als Konkurrenz?

Das Fünfte Gebot:

„Du sollst nicht töten!“

oder:

Schau hin, nicht weg.

Im Fünften Gebot geht es um die Ehrfurcht vor dem Leben und um alles, was das Leben bedroht. Damit ist nicht nur die aktive Bedrohung des Lebens gemeint, sondern ebenso das bewusste oder uninteressierte Wegschauen: von der Milliarde Hungernder, von der Klimakatastrophe, vom sich vertiefenden Graben arm/reich, von der Plünderung der Rohstoffe und Schändung der Menschen-rechte. Das langsame Töten[pvs3]  hat viele Facetten und niemand kann sagen, nichts gewusst zu haben und nichts dagegen tun zu können. Wer wegschaut, wird mitschuldig. Es geht darum, wie das Leben heil wird und heil bleibt. Dafür braucht es Menschen, die die Tötungsmechanismen wahrnehmen und nicht wegschauen.

  •    Macht mich das tägliche Unheil nur stumm und apathisch oder lasse ich mich davon herausfordern?
  •    Wie leiste ich ernsthaft und kritisch meinen Anteil an der Erhaltung der Schöpfung?
  •    Schaue ich hin, wenn in meinem Umfeld anderen Unrecht geschieht?

Die folgenden vier Gebote werden jeweils paarweise bedacht.

Das Sechste Gebot:

„Du sollst nicht ehebrechen!“

oder:

Du bist zu unwiderruflicher Liebe fähig.

und:                                                                                                  

Das Neunte Gebot:

„Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau!“

oder:

Achte geglückte Beziehungen.

Gott hat die Menschen als partnerschaftliche Wesen erschaffen. Erst im Zueinander und im liebenden sich Verschenken aneinander lässt sich in vollendeter Weise die Liebe Gottes abbilden. Deshalb wagt das Alte Testament das Verhältnis Gottes zu seinem Volk im Bild einer Ehe darzustellen. Auch die erotische Sehnsucht hat Gott uns gegeben. Vom Zauber erotischer Lyrik und Bilder spricht die Bibel vor allem im Hohelied. Gerade deshalb achtet Jesus die Liebe zweier Menschen als unendlich schützenswert und geht dabei noch über die Thora hinaus. Nicht nur Eheleuten, sondern allen Menschen traut er zu, dass sie zu unwiderruflicher Liebe fähig sind.

  •    Kultiviere ich meine Liebesfähigkeit oder unterdrücke ich sie?
  •    Wie gehe ich um mit der erotischen Sehnsucht, die mir von Gott gegeben ist?
  •    Freue ich mich über geglückte Beziehung anderer, achte ich sie oder bin ich neidisch?

Das Siebte Gebot:

„Du sollst nicht stehlen!“

oder:

Respektiere, was andere aufgebaut haben!

Das Zehnte:

„Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut!“

oder:

Gib deinem Begehren und Streben sinnvolle Ziele!

Im schöpferischen Drang und der kreativen Phantasie sind wir Menschen unserem Schöpfer verwandt. Darum ist das, was wir erschaffen, Ausdruck unserer selbst. Das Siebte Gebot schützt diesen

wesentlichen Bereich menschlichen Lebens. Wer stiehlt, wer einen Einbruch begeht und Wertgegenstände raubt, bringt nicht nur Mitmenschen um den Ertrag ihrer Arbeit, sondern zerstört etwas vom Leben dieser Menschen selbst. Daraus folgt zwingend: Respektiere, was jemand aufgebaut hat!

Wohin massloses Begehren führt, erleben wir derzeit in einem epochalen Desaster. Altbundeskanzler Helmut Schmidt nennt als Ursache den Raubtierkapitalismus: Gewinn um jeden Preis, Wachstum auf Kosten der Umwelt, Deregulierung der Weltmärkte durch internationale Konzerne, Raubbau und Plünderung der Ressourcen der Entwicklungsländer, Manipulation der Nahrungsmittelproduktion zu Lasten der Ärmsten, Entsolidarisierung der Arbeitenden. Wie weit widerstehen ich diesem Sog auch im Kleinen?

  •    Respektiere ich den Lebensraum, das Eigentum und die Privatsphäre meiner Mitmenschen?
  •    Wie trage ich zum Wohl der Gemeinschaft bei zum Gewinn und Nutzen aller?
  •    Konsumiere ich gedankenlos oder kritisch? Kann ich verzichten und mit anderen teilen?

Das Achte Gebot:

„Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten!“

oder:

Sorge für Vertrauen unter den Menschen!

In der biblischen Zeit gab es noch nicht die säuberliche Gewaltentrennung zwischen Exekutive,

Legislative und Judikative. Rechtliche Konflikte und die Bestrafung von Übeltätern wurden «im Tor» geregelt, buch­stäblich unter dem Bogen des Stadttors, von den Ältesten, vom König. So leuchtet ein, welche Bedeutung Zeuginnen und Zeugen zukam. Ein falsches Zeugnis konnte zum Verlust von Ehre und Besitz führen, oft auch des Lebens. In unserer modernen Kommunikationskultur können schon Gerüchte, Verdächtigungen und Übertreibungen zu schweren menschlichen Tragödien führen.

  •    Trage ich bei zu einer Atmosphäre des Vertrauens in Familie, am Arbeitsplatz, in Gesellschaft und Kirche?
  •    Wie halte ich es mit meiner Kritik? Habe ich den Mut dazu und ist sie sachlich und konstruktiv?
  •    Wie begegne ich schuldig gewordenen Menschen? Entdecke ich trotz allem auch das Gute in ihnen?

Lied

KG 67 / RG 212: O Herr, nimm unsere Schuld

Gebet

KG 27.1 oder RG 718

Schuldbekenntnis

KG 643 / RG 35 (Lied): Psalm 51  oder

KG 400.1 / RG 139: Psalm 130 oder

KG 30.2: Ich bekenne Gott 

Vergebungsbitte

Der Allmächtige Gott erbarme sich unser, er lasse uns die Sünden nach und führe uns zum ewigen Leben.  Nachlass, Vergebung und Verzeihung schenke uns der gütige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

Lied

KG 559 / RG 698: Du kannst nicht tiefer fallen

Segen und Entlassung

KG 718.2  oder  718.3, RG 328, 330 oder 331

Walter Wiesli




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