Katholisches Gesangbuch

Taufe im KG   

Die gegenwärtige Taufproblematik

Aus verschiedenen Gründen wird heute die Taufe unmündiger Kinder problematisiert, denn viele werden getauft und wachsen dennoch ohne kirchliche Sozialisation auf. Der individuelle Glaubensentscheid ist mit dem Rückgang volkskirchlicher Strukturen nicht mehr sichergestellt.

Während die Teilnahme an ekklesialen Riten, besonders der Besuch der Sonntagsmesse seit der Mitte des letzten Jahrhunderts von ca. 50% bis ca. 12% zurückging, erfreuen sich die Riten an den Lebenswenden (Taufe, Hochzeit und Beerdigung) noch einer grossen Nachfrage. Viele wenig ‚praktizierende Katholiken‘ in Deutschland beantworteten den subjektiven Nutzen der Kirche positiv dahingehend, «dass man wichtige Ereignisse im Leben kirchlich feiern kann, z.B. Hochzeit, Taufe.» Die höchste Wertschätzung hat nach wie vor die Beerdigung. Allerdings verstärkt sich die Quote der Taufaufschübe. Mehr als 10% der Kinder sind bei der Taufe bereits älter als ein Jahr. Der Aufschub erfolgt kaum über das 14.Lebensjahr hinaus. Schülertaufen haben meist mit der Erstkommunion oder der Firmung zu tun.

Bezüglich des Taufverständnisses ist festzustellen, dass sich die Deutung der Taufe nicht mehr mit der kirchenoffiziellen Auffassung deckt. Sie wird als lebens- und familiengeschichtliche Wegmarke wahrgenommen. Die Taufe ist vor allem eine Familienfeier, mit der Taufe wird der Beginn des Lebensweges gefeiert. Viele Eltern und Verwandte wehren sich dagegen, die Taufe zu einem kirchlichen Pfarreianlass zu machen (Taufe im sonntäglichen Gottesdienst), weil dies die von ihnen erwartete Intimität des Anlasses stört. Eine Verbindung von Taufe und Kirche nehmen manche insofern noch in Kauf, als sie dem Kind in Zukunft nichts verbauen möchten, z.B. dass es später kirchlich getraut werden kann. Doch eine Deutung der Taufe als ekklesiales Geschehen lehnen viele ausdrücklich ab. Deshalb haben viele Bischofskonferenzen das Taufgespräch mit den Eltern als pastoral verbindlich eingeführt. Dies signalisiert eine entschiedenere Bindung der Taufe an den Glauben der Eltern. Angesichts der nur sporadischen kirchlichen Praxis der Eltern und der geringen Bedeutung einer religiösen Erziehung hat sich das Problem von Sakrament und Glauben seither trotzdem enorm verschärft.

Die Erwachsenentaufe als Modell (KG 12)

Warum die Erwachsenentaufe als Modell?

Schon 1985 stellten die Schweizer Bischöfe fest, die Weitergabe des Glaubens sei nicht mehr gesichert. Heute sehen wir diese Prognose bestätigt. Bei uns wie in andern europäischen Ländern sind Kirche und Gesellschaft nicht mehr deckungsgleich. Es ist nicht mehr mit einer Rückkehr zur „olkskirche zu rechnen. Es gibt Ballungsgebiete in Deutschland, in denen kaum noch 20% der Säuglinge getauft werden. Die Zahl der Ungetauften nimmt zu, – parallel steigt die Zahl derer, die erst als Schüler, Jugendliche oder Erwachsene getauft werden. Obwohl diese Entwicklung auch in andern Ländern von einer grossen Ungleichzeitigkeit geprägt ist, nimmt sie zu, – und so wird es vermutlich auch bei uns sein. Der Übergang von der Volkskirche in eine plurale, nachchristliche Gesellschaft verläuft zeitungleich. Doch die nicht mehr zu übersehenden Trends fordern, verschiedene Formen des Christwerdens nebeneinander gelten zu lassen.

  • Ein Blick in die bisherige Entwicklung

Das Vaticanum II gab den Auftrag, den mehrstufigen Katechumenat, wie er in der frühen Kirche üblich war, zu erneuern (SC Nr.64, Missionsdekret Nr.14). Die Text im KG 12 basiert auf  der Fassung «Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche. Studienausgabe, Tier 1975» und «Erwachsene fragen nach der Taufe, München 1992». Für die Taufe von Kindern im Schulalter wurde 1986 eine eigene Studienausgabe vorgelegt. In einer Regelung der Deutschen Bischofskonferenz von 1986 heisst es: «Für erwachsene Taufbewerber muss auf Pfarreiebene oder überpfarreilich ein Katechumenat durchgeführt werden». Es gab dazu freilich noch lange keine Strukturen. Man war unsicher, weil niemand auf Erfahrungen zurückgreifen konnte. Der Einbau des Katechumenats in liturgische Feiern war kaum bekannt. So geschah die Taufvorbereitung meist privat ohne Bezug zur Gemeinde.

  • Der Katechumenat

Der Katechumenat ist ein ganzheitlicher Lernprozess, der das Christwerden zum Ziel hat. Er ist in der Lebensgeschichte der Katechumenen zu sehen, die aus der Perspektive des Glaubens allmählich ihr Leben deuten und gestalten. Dieser Weg wird schrittweise in liturgische Feiern eingebettet. Diesen Weg gehen Taufbewerber und Taufbewerberinnen in der Regel nicht allein, sie brauchen dazu die Begleitung anderer. Diese Begleitung geschieht in einem gegenseitigen Lernprozess. Dabei haben die Katechumenen wie die Begleiter eine aktive Rolle. Beide bringen ihre eigene Geschichte, ihre Sprache, ihre Erfahrung und ihre Sicht der Dinge ein. Die Bekehrung von Nichtchristen wird so auch für die Begleiter zum neuen Impuls einer Vertiefung des eigenen Glaubens (Neokatechumenat).

  • Begleitung im Katechumenat

Begleiter können Menschen im persönlichen Umfeld der Katechumenen sein: Ehepartner, Verlobte, Freund, Freundin, Arbeitskollegen usw. Diese Menschen sollen auch einen Bezug zur Gemeinde haben und die Katechumenen dort einführen. Es ist auch denkbar, dass bereits bestehende Gruppen die Begleitfunktion wahrnehmen: Eine Bibelgruppe, ein Katechetenkreis, ein Pfarreiteam usw. Als „Bürgen“ wirken die Begleiter dann auch in den jeweiligen liturgischen Feiern mit. Eine spezielle Bedeutung kommt den Paten zu. Sie übernehmen in der Feier der Zulassung und in der Feier der Sakramente des Christwerdens Verantwortung für die Katechumenen und begleiten diese auch künftig partnerschaftlich.

Die Leitung der Katechumenengruppe kann ein Priester oder ein Laie übernehmen. Wichtig ist, dass Vertrauen wächst und auch Fragen und Probleme Platz haben. Der Leiter oder die Leiterin ist dafür besorgt, dass der Glaube zur Sprache kommt und Erfahrungen ausgetauscht werden. Später ist dafür zu sorgen, dass dieser Glaube inhaltlich vertieft wird. Begleitende sind nicht «Glaubensvermittler», die Wissen an Unwissende weitergeben. Sie machen auf diesem Weg selber neue Erfahrungen und anerkennen dies dankbar. Es ist gut, wenn die Begleiter einem katechetischen Entwurf entlang gehen und ihre Begleitung untereinander immer wieder reflektieren.

  • Struktur des Katechumenats

Die Katechumenen entdecken nach und nach das Evangelium als Grundorientierung und versuchen ihr Leben danach auszurichten. Dies ist ein langer Weg, in welchem es Unterbrechungen, Stillstand oder sogar einen Abbruch geben kann. Christwerden ist ein Wachstumsvorgang, dessen Entwicklung nicht voraussehbar ist. Verlauf und Dauer hängen stark von der Lebenssituation des einzelnen ab und werden auch durch die Begleitung und die Gemeinde unterschiedlich beeinflusst. Der Weg verläuft in drei Phasen: Aufnahme in den Katechumenat / Zulassung zur Taufe / Feier des Christwerdens, d.h.  Taufe, Firmung und Eucharistie.

  • Aufnahme in den Katechumenat

Ein Mensch möchte im Sinne Jesu leben und zur christlichen Gemeinde gehören. Die Motivation kann sehr unterschiedlich sein: Überzeugung, Gruppenzugehörigkeit (z.B. Erstkommunion), Ehe usw. Man wird versuchen, über die Tragfähigkeit der Motive zu reden und genügend Freiraum zu schaffen, dass Bewerber/innen wieder zurücktreten können. Im Katechumenat geschieht eine umfassende Einführung in den christlichen Glauben und eine Einübung in das Leben als Christ in der Kirche.

  • Zulassung zur Taufe

In dieser Zeit der näheren Vorbereitung kann in der liturgischen Feier die Übergabe des Glaubensbekenntnisses und des Vaterunser stattfinden. Die Katechumenen werden ins Buch der Taufbewerber eingetragen.

  • Christwerden

Taufe, Firmung und Eucharistie:  Ziel und Höhepunkt des Katechuments ist die Besiegelung des Christwerdens in Taufe, Firmung und Eucharistie. Diese österlichen Sakramente hängen so eng zusammen, dass sie in einer einzigen Feier, normalerweise in der Osternacht, gefeiert werden. Die Neuchristen brauchen weiterhin die Begleitung der Gruppe, der Paten oder anderer Bezugspersonen in der Gemeinde; sie sollen zusammen mit andern erfahren, wie sie als Christen ihren Alltag leben und sich in Gemeinde und Gesellschaft einbringen, wie sie den Gottesdienst mitfeiern und sich in einer menschlich begrenzten Kirche zurechtfinden können .

Man kann davon ausgehen, das der noch geringe Anteil an Erwachsenentaufen (ca.1%) in den nächsten Jahren steigen wird. Dabei wird die Ungleichzeitigkeit der Taufpraxis in verschiedenen Regionen noch breiter auseinander gehen. Mit der Vorstellung der Urform der Taufe versprechen sich die Bischöfe allerdings bereits jetzt eine Vertiefung des Taufbewusstseins, vorab auch eine «Entprivati-sierung des Taufsakraments als pastorale Chance eines geschwisterlichen Weges»4 im Christwerden und Kirche-Sein.

Segensfeier als Eröffnung des Weges zur Taufe (KG 15)

In der Gemeinsamen Synode der Bundesrepublik Deutschlands (1976) stellen die Bischöfe hohe Anforderungen an das christliche Zeugnis der Eltern: «Durch ihr eigenes Verhalten, durch die Art ihrer Erziehung, durch die Erlebnisse, die sie dem Kind vermitteln, schaffen sie das Milieu, in dem der Glaube wachsen kann». Davon wird man in einer Zeit der schwindenden Lebensbedeutung unserer christlichen Gemeinden kaum mehr ausgehen können. Diese Feststellung führte analog zum Erwachsenenkatechumenat zum Bemühen um eine Begleitung von Fernstehenden durch engagierte Gemeindemitglieder, womöglich auf einem längeren Weg. Daraus ergab sich die erst 1996 von den deutschsprachigen Bischöfen approbierte «Segensfeier als Eröffnung des Weges zur Taufe« (KG 15). Von diesem gemeindekatechetischen Modell verspricht man sich eine allmähliche Vorbereitung von Eltern, die die von ihnen erwarteten Voraussetzungen für die Taufe des Kindes noch nicht haben. Das Gelingen dieses Modells wird davon abhängen, ob Eltern oder Gemeinden sich überhaupt so verbindlich einander annähern wollen. Die Bischöfe fordern einen Taufaufschub, wenn die Eltern «jedes vorbereitende Gespräch verweigern oder aus der Kirche ausgetreten sind und keine Bereitschaft zeigen, andersweitig für die Glaubenserziehung des Kindes zu sorgen».

Taufbewusstsein als Grundbefindlichkeit

Die Taufe als „ianua sacramentorum“ ist die Schlüsselerfahrung des Christen: «Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet» (Mk 16,16). Sie gilt es immer wieder zu bestärken und lebendig zu erhalten. In der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation sehen sich Menschen mehr und mehr auf sich selber gestellt. Trotz der Fülle sich anbietender Lebensmöglichkeiten befällt sie Unsicherheit und Angst, dass das Leben letztlich doch scheitern könnte. In dieser Situation erreicht sie die Verkündigung des Evangeliums: Ich bin für euch da! Es ist die Versicherung, dass das Leben glücken wird, wenn ich mich auf Gott verlasse. Die Taufe ist der sichtbare und greifbare Ausdruck dieses Anrufes Gottes. Er macht keine Vorbedingung und erwartet keine Vorleistung. Vielmehr besteht die Antwort auf diesen seinen Ruf allein in der Bereitschaft, ihm zu vertrauen, dass er mich hält, dass ich mit ihm mein Leben wagen kann.

Die Heilszusage Gottes begleitet den Menschen in immer neuen sakramentlichen Zeichen, die das leben des Menschen in den verschiedenen Phasen begleiten. Alle diese Zeichen, die den Getauften betreffen, scheinen im KG auf und verstärken und konkretisieren die Zusage des Sakraments des Anfangs. Als von Gott Gesegnete (Gal 3,9) dürfen Getaufte diese Heilszusage weitersagen (Segnungen).

Das in der Taufe begründete Vertrauen ermutigt zur Abkehr oder Umkehr (2.Kapitel) von Lebensmöglichkeiten, auf die man sich allenfalls bisher in seinem Leben verlassen hat. Eine Abkehr von der oft «unwiderstehlichen Gewalt der stummen Götzen» (1 Kor 12,2) wie Besitzstreben, Suche nach totaler Versicherung,  egoistischer Machtausübung, Befriedigung augenblicklicher Bedürfnisse, Gleichgültigkeit usw. Wer sich taufen lässt, wendet sich von diesen Kräften und Mächten ab, um sich der befreienden Herrschaft Gottes anzuvertrauen, unter der ich der sein darf, der ich bin, und mich gerade so von Gott angenommen und geliebt weiss.

Wir erhalten mit der biologischen Geburt nicht schon alle Lebensmöglichkeiten. Alle erleben wir eine «soziale Geburt», in der wir befähigt werden, in der menschlichen Gesellschaft mit ganz bestimmten Norm- und Wertvorstellungen zu leben und zu überleben. Analog steht dem die «soziale Geburt» aus der Taufe gegenüber als eine Geburt aus dem letzten Grund des menschlichen Lebens (Symbol des Wassers) und dem Geist Gottes. In dem Sinn ist die Taufe das Schlüsselsakrament, ianua sacramentorum. So brauchen KG-Texte nicht zufällig 196mal das Wort «Taufe» !

Walter Wiesli




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