Katholisches Gesangbuch

Gemeindeverse   

Bedeutung der Gemeindeverse

Zu allen liturgisch geprägten Zeiten bietet das KG so genannte «Gemeindeverse» an. Sie finden sich jeweils angefügt an die Zeitlieder unmittelbar vor den Texten.  Es handelt sich um Leitverse zu den Psalmen, die ehedem als «Propriumsgesänge» zur Eröffnung (Introitus), zur Gabenbereitung (Offertorium) und zur Kom­munion (Communio) gesungen wurden ,  ̶  Gesänge also, die heute nach AEM 17 zu den «Elementen, die eine Handlung begleiten», gehören. Im Angebot der Gemeindeverse finden sich auch Leitverse zum Antwortpsalm, der als «selbständiger Gesang» eine Sonderstellung einnimmt. Als gläubige Antwort der Gemeinde auf das Wort Gottes ist er ein selbständiges Element, das durch nichts Anderes ersetzt werden sollte. Im Gegensatz zu ihm begleiten die erwähnten Prozessionalgesänge das Abschreiten eines Weges beim feierlichen Einzug, beim Herbeibringen der Gaben und beim Kommuniongang. Sofern es ein solches Abschreiten von Wegen gibt, wäre es sinnvoll, an dieser Stelle einen Psalm mit einem geeigneten Leitvers zu singen. Er würde die Gestik des Aus­schreitens, Aufbrechens, Ankommens verdeutlichen und vor allem auch der «Verliedung» der Gottesdienste entgegenwirken. Die verschiedenen musikalischen Gattungen sind wertvolle Interpreten der jeweiligen Funktion litur­gischer Handlungen. Als mögliche Singweisen eignen sich die  traditionelle Gemeindepsalmodie wie auch die anspruchsvolleren Formen des Cantionale oder an­derer Sammlungen.

Die Prozessionsgesänge

Die Prozession zum Einzug:

Wir kennen ihn aus der feierlichen in der Papstmesse des 7. Jahrhunderts. [OR 1,40.50.53: Andrieu OR 2, 80-84] Er hat aber auch heute noch als ein festliches, sammelndes Hineinschreiten mit Kreuz, Weihrauch, Leuchtern und Evangeliar einen tiefen Sinn. Als sich die Sakristeien allmählich nicht mehr am Eingang der Basiliken fanden, verkürzte sich der Weg und damit auch der Psalm auf einen Vers. Nach Möglichkeit ist die Gemeinde am Singen des Leitverses zu beteiligen, wobei festlicher Psalmengesang des Chores die Festlichkeit vertiefen könnte (z.B. mit Falsobordone-Psalmodie). In der österlichen Zeit wird man vorzugsweise das Halleluja als Leitvers wählen.    

Die Gabenprozession:

   Im Ordo Romanus I (7. Jh.) macht ein langer Gesang zum aufwendigen Hinbringen der Naturalgaben (für die Eucharistie, den Klerusunterhalt, die Armen) noch einen guten Sinn. Rund um das zehnte Jahrhundert passiert dies nur noch sehr rudimentär. Damit verlieren die sehr langen gregorianischen Offertorien ihre Bedeutung. Vor allem um der an dieser Stelle oft missverstandenen Opferthematik aus dem Weg zu gehen, kam es im MD zu folgender Bemerkung: «Im Hinblick auf den lauten Vortrag des Wortgottesdienstes und des Hochgebetes empfiehlt es sich, die hier gebotene Möglichkeit des ‘heiligen Schweigens‘ zu nutzen und auf einen lauten Vortrag der Begleittexte zu verzichten.»

    Da bei gewissen Anlässen noch immer feierliche Gabenprozessionen üblich sind, wäre ein meditativer Gabengesang mit Psalm und Kehrvers noch immer eine gute Lösung. Auch hier ist das Hintragen der Gaben zum Altar  ̶  der ganzen Gemeinde oder einzelner Vertreter und Vertreterinnen    ̶  eine sinntiefe Geste. Zu empfehlen ist ein auswendiges Singen. Die im KG angebotenen Lieder zur Gabenbereitung umgehen gezielt die Opferthematik und führen so nicht auf jene falsche Fährte, die leider in manchen traditionellen Gabengebeten noch anzutreffen ist. (Vorwegnahme dieser Thematik des Hochgebets).

Die Prozession zum Kommuniongang:

Nach Ausweis der Handschriften war zum Kommuniongang die Psalmodie bis ins 11./12. Jahrhundert (mit regionalen Unterschieden) in Gebrauch. Später blieb nur die Antiphon als Einzelstück ohne Vers übrig. Lediglich die Commu­nio der Totenmesse behielt einen Vers. Die Liturgiereform versuchte den Psalmengesang zum Kommuniongang wieder neu zu beleben, [AEM 57i] um damit «die geistliche Gemeinschaft der Kommunizierenden in gemeinsamem Singen zum Ausdruck zu bringen, die Herzensfreude zu zeigen, die geschwisterliche  Verbundenheit beim Hinzutreten zum Kommunionempfang zu vertiefen.» Leider stellen wir fest, dass diese Motivation zwar einleuchtet,  beim heutigen (privatisierten) Kommunion- und Singverständnis beim Kommuniongang nur selten noch gesungen wird. An seine Stelle tritt Orgelmusik oder Sologesang (ein Soloinstrument), die aber eine angemessene Zeit der Stille nicht verdrängen sollten.

Gemeindevers und Psalm

Die Wahl des Psalms zu den angebotenen Gemeineversen (Leitversen) ist Sache der Gestaltenden. Dazu müssen der Modus (Psalmton) und die Tonart des Leitverses übereinstimmen. Fürs Erste helfen dazu Angaben, die unter jedem Leitvers zu finden sind. Wählen wir dazu KG 315:

Notenbeispiel KG 315

Römische Ziffern von I – IX

Sie bezeichnen die Psalmtöne, die in Frage kommen, hier II, III, VIII: Es eignen sich also diese drei Psalmtöne, die man beim Psalm vor der Notenlinie findet, wie z.B. die VIII vor Ps 24 bei KG 319.1

Der Kleinbuchstabe (a)

Der Kleinbuchstabe nach der Ziffer bezeichnet den Rezitationston, dies ist die runde leere Noten in der Psalmennotation, hier der Ton A. Wenn Leitvers und Psalm die gleichen musikalischen Vorzeichen haben, dann sind Leitvers und Psalm in der Regel auch kompatibel, hier haben beide drei Kreuze.

Der Buchstabe Q

Der Buchstabe Q verweist auf das Autorenverzeichnis im KG S.907: Die Zahl 49 steht für Walter Röder. Im Verzeichnis der Biografien erfahren Sie mehr über diesen Autor (suchen: Röder).

Es fällt Ihnen sicher auf, dass bei gleichen Psalmtönen  verschiedene Rezitationshöhen stehen, z.B.: KG 315.2:  IV h - VII h, für KG 315.4:  IV g – VII g. Dies ist bedingt durch die Tonart und durch den Tonumfang (Ambitus) des Leitverses. Wenn Sie sich bei den KG-Vorschlägen am Rezitationston orientieren, passen Leitvers und Psalm sicher zusammen. In KG 319 und 319.1 ist der Schlusston des Leitverses zugleich der Anfangston des Psalms. Dies ist nicht immer so, bei den Leitversen der Reihe 315 trifft dies in elf Fällen nicht zu. Wer sich in Modi- und Tonartenfragen nicht auskennt, versuche es mit den vorgeschlagenen Psalmtönen. Nicht alle sind musikalisch und bezüglich des Stimmunggehalts gleich günstig. Singend zeigt sich, was gut klingt und atmosphärisch stimmt.

Walter Wiesli




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