Katholisches Gesangbuch

Reformvorgaben   

Die Liturgie wird in der nachkonziliären Reform des Vaticanums II bezüglich ihres Wesens und ihrer Funktion differenzierter gesehen und bestimmt. Dies ergibt sich aus einem vertieften Verständnis der Messfeier insgesamt. Nennen wir die wichtigsten Aspekte  

Die Gemeindemessen ist die Grundform

Die alte Liturgie kannte kein ’Ich’, das sich vom ’Wir’ der ganzen Gemeinde unterschieden hätte. Der Zelebrant, d.h. der Vorsitzende der Versammlung spricht im Namen aller, denn er ist eins mit alle ihren Gliedern. Vom 4.- 6.Jh. bahnt sich aus verschiedenen  Gründen ein verändertes Verständnis von Kirche und ihren Gottesdiensten an: Nicht mehr Gottes versammeltes Volk feiert Gottesdienst, sondern der Klerus. Seit dem 7.Jh. ist in Rom die feierliche Papst- und Bischofsmesse die «missa normativa». Ab dem 12.Jh. finden wir alle liturgischen Bücher in einem Buch (Vollmissale), der Priester kann nunmehr  ganz allein ohne weitere Liturgen die Messe feiern, daran ändert auch das Tridentinische Missale (1570) nichts: Die stille Privatmesse wird zur Missa normativa bis 1963, resp. 1970.

Das Vaticanum II befreit die Liturgie aus der verengten Sicht. Subjekt allen Handelns in der Kirche ist die Kirche als Ganze. Zwangsläufig ist damit die Grundform der Messe die Gemeindemesse ist. Damit zieht die Reform die Konsequenzen aus einem theologischen Grundanliegen der Liturgiekonstitution: Träger der Liturgie ist das Volk Gottes (AEM 62). Es soll «bewusst, tätig, mit geistlichem Gewinn» (SC 11) und «voll» (SC 14) teilnehmen können. Der Grund ist die in der Taufe geschenkte Teilhabe am gemeinsamen Priestertum Christi und die darin begründete Würde des Christseins.  Die tätige Teilnahme ist demnach ein Wesenselement liturgischen Feierns.

Abschied vom Proprium und Ordinarium

Das Bemühen um eine wesensgemässeren Vollzug der  liturgischen Elemente führte zum Abschied von der Einteilung der Gesänge in Ordinarium-Proprium. Die beiden Begriffe werden im Missale 1975 (AEM 17) ersetzt durch:

a)  selbständige Elemente (Gloria, Antwortgesang, Halleluja und der Vers vor dem Evangelium, Sanctus, Akklamation zum Einsetzungsbericht und Gesang nach der Kommunion). Es sind dies Gesänge, die liturgische Vollzüge in sich selber darstellen, − während dem also nichts anderes geschieht, als der singende Vollzug dieses Elements.

b)  Elemente, die eine Handlung begleiten (Gesang zur Eröffnung, Gabenbereitung, Brotbrechung und zur Kommunion). Die eine Handlung begleitenden Gesänge begleiten ursprünglich eine ’Prozession’ (zum Einzug, zur Gabenbringung, zum Kommuniongang) oder die Brechung des Brotes vor der Kommunion.

Das Rollenprinzip

Es gibt in der Gemeindeliturgie keine blossen Zuschauer,  als tätig Teilnehmenden übernehmen alle ihre spezifische Rolle. In der Liturgiekonstitution hat sich dies in einem Satz niedergeschlagen, den man als das →Rollenprinzip bezeichnet: «Bei den liturgischen Feiern soll jeder, sei er Liturge oder Gläubiger, in der Ausübung seiner Aufgabe nur das und all das tun, was ihm aus der Natur der Sache (ex rei natura) und gemäss den liturgischen Regeln zukommt.» (SC 28).

Notwendiger und vielfältiger Gesang

Der mit dem Wort verbundene gottesdienstliche Gesang ist ein notwendiger und integrierender Bestandteil der feierlichen Liturgie (SC 112: pars neccessaria vel intergralis). Eine gesanglose Liturgie leistet sich nicht einfach einen Verzicht, sondern ein Defizit. Die lobpreisende, häufig hymnische Sprachgestik ruft ihrem Wesen nach Gesang, was ja öfters auch einen expliziten Niederschlag findet (vgl. den Präfations-Schluss).

Sobald Musik und Gesang nicht nur Ausschmückung sind, sondern zum «Trägermedium» der Aussage werden, erfordert dies wesensgemäss eine Vielfalt der Ausdrucksformen, damit «der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten.» (SC 50). Im Blick auf die Funktion der Gesänge spricht man in diesem Zusammenhang von Funktionalität.




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