Katholisches Gesangbuch

Rufe/Akklamationen   

Den Akklamationen kommt in den judenchristlichen Anfängen der Kirche ein hoher Rang zu. Auch wenn manche von ihnen formal Übernahmen aus dem Synagogengottesdienst sind, wurden sie inzwischen längst zu unübersetzten christlichen «Ursprungsmarken». Nach Wortlaut und Funktion sind sie wichtiges, wohl unaufgebbares liturgisches Erbgut aus den Anfängen der Kirche.

Das Amen

Bereits im Judentum ist das Amen (hebr.: «es steht fest und es gilt») eine der häufigsten Eulogien und Doxologien. Die junge Kirche übernimmt diese Formel bekennender Akklamation unübersetzt [Vgl. Justin, Apol 1,65,3f. 67,5] Schon in den neutestamentlichen Schriften zeigt sich eine Ausweitung des Gebrauchs: Viele Logia Jesu beginnen mit einem Amen, bei Johannes sogar verdoppelt. Das Amen wird zu einem inhaltlich gefüllten Glaubens- und Heilswort, das die Christen aller Zeiten, Sprachen und Kirchen untereinander verbindet. Einen ganz besonderen Stellenwert hat das Amen in der Schlussdoxologie des eucharistischen Hochgebetes. Sie greift, jüdischen Vorbildern des Eucharistiegebetes folgend, das Grundthema «Lobpreis» nochmals auf und fasst es in einer trinitarischen Formel zusammen: Gott wird durch Christus von der im Heiligen Geist geeinten Kirche alle Herrlichkeit und Ehre dargebracht. Die Gläubigen bekräftigen dies durch ihr Amen.

Um die Bedeutung des Gemeindeanteils zu verstärken, singen viele Gemeinden die ganze Doxologie, da das kurze Amen der Bedeutung ihrer Zustimmung nicht zu genügen scheint. Dieses Anliegen greift KG 122 mit einer mehrfachen Ausweitung des Amen-Rufes auf, teils in Form eines Kanons (KG 122.2) oder einfacher  Mehrstimmigkeit (122.1.3.4.5). Die einfachste Form ermöglicht der Gemeinde ihr Amen-Motiv dreimal zu wiederholen, während der Chor darüber die Klangentfaltung wachsen lässt. 

Das Halleluja

Cantionale 0148Cantionale 0148
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Seinen Ursprung hat das Halleluja (hebr.: «preiset Jahwe») im alttestamentlichen Judentum.  Es wurde auch in der Septuaginta (LXX) meist unübersetzt belassen. In der griechischen Bibel steht es bei den Psalmen 106, 111 – 113, 136, 146 – 150. Mit den Psalmen übernimmt die Kirche auch das Halleluja und dehnt es auch auf Psalmen aus, bei denen es im biblischen Text nicht steht. Es bekommt im Gottesdienst und in der privaten Frömmigkeit einen unverkennbar christlichen Gehalt und Rang [Vgl. Tertullian, de orat. 27.].

Als Zeichen der Bussbereitschaft wird es in der Westkirche während der 40 Tage der Vorbereitung vor Ostern unterlassen., als Zeichen der Bussbereitschaft und Festbereitung. In diesem Zusammenhang bilden sich zunehmend Riten der Verabschiedung des Halleluja und der österlichen Begrüssung in der Osternacht, die sich im Mittelalter zu eigentlichen Spielszenen ausweiten. In den 50 Tagen der Osterzeit selbst wird das Halleluja «sine intermissione, ohne Unterbruch» (Benedikt, Regel 15,1) allen psalmodischen Gesängen als einzige Antiphon beigefügt. Die Ostkirche gebraucht es auch in der österlichen Busszeit. Die alte Tradition, sich zum Halleluja vor dem Evangelium der Eucharistiefeier erheben, versteht sich als akklamatorisches Bekenntnis der gläubigen Gemeinde.

Cantionale: Halleluja 0143Cantionale: Halleluja 0143
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Im KG finden sich 25 Halleluja-Rufe, im Cantionale zusätzlich 10 mehrstimmige Kompositionen verschiedener Autoren. Der Halleluja-Kanon CN 0143 (S.417) stammt von Clemens non Papa (+1556) (Textunterlegung W.Wiesli). Vgl. Artikel: Das Halleluja als Ruf vor dem Evangelium.

Das Maranatha

Diese aramäische Formel aus dem palästinensischen Judenchristentum wird heute mehrheitlich als Bittruf übersetzt: «Unser Herr, komm!»  Er wird in 1 Kor 16,22 eigenhändig von Paulus  mit anderen gottesdienstlichen Abschlussformeln angefügt und über die Didache 10,6 als biblisch-liturgisches Zitat weitertradiert. Tatsächlich greifen nun auch moderne Gottesdiensttexte diesen an Alter und Aussage urchristlichen Bittruf neu auf. Ein markantes Beispiel ist die Maranatha-Akklamation im Hochgebet der eucharistischen «Lima-Liturgie» von 1982 [F.Schulz, Die Lima-Liturgie. Kassel 1983 (JLH Beiheft)]. Das KG bietet einen einfachen mehrstimmigen Ruf bei 121.1.

Akklamationen im Hochgebet

Amen, Halleluja KG 122.4Amen, Halleluja KG 122.4
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«Deinen Tod, o Herr, verkünden wir», die vom Messordo vorgesehene Akklamation nach dem Einsetzungsbericht, liegt im KG in zwei Fassungen vor:

KG 32.3 (MD S.1189, 2.Singweise) wurde ab 1969 von Prof. Luigi Agustoni und Walter Wiesli an Choralkursen in Umlauf gebracht und hat sich inzwischen vielerorts als «Schweizer-Version» eingesungen.

KG 120 (MD S.1189, 1.Singweise) wurde über das GL verbreitet und wurde zur ökumen. Fassung.   

Die Singweise KG 122.2 lässt dem Ruf des Zelebranten jeweils einen je nach liturgischer Zeit veränderlichen Gemeinderuf folgen. KG 532 verwendet das gleiche melodische Modell, überlässt aber dem Liturgen die veränderlichen Texte.   

Weitere Hochgebet-Akklamationen für liturgische geprägte Zeiten oder ‚im Jahreskreis’ lassen sich im Repertoire der Leitverse, Kanons und Refrains finden:

Preiset den Herrn KG 532Preiset den Herrn KG 532
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KG 315.2
Advent:  Komm, Herr, und säume nicht!
KG 359.2 Weihnachtszeit:  Gott ist mit uns, Halleluja.
KG 85.3 Fastenzeit:  Lob dir, Christus, König und Erlöser.
KG 441 Osterzeit:  Christus ist auferstanden (Ka)
KG 457
Osterzeit:  Christus ist auferstanden (Ruf)
KG  480
Pfingsten:  Sende aus deinen Geist
KG 137 Rfr. Geheimnis des Glaubens, im Tod ist das Leben.
KG 281 Jesus Christus ist der Herr, zur Ehre Gottes des Vaters
KG 532
Preiset den Herrn, denn er ist gut
KG 581 Rfr. Alles was Odem hat, lobe den Herrn!
KG 622
Herr, du bist König über alle Welt.
KG 652
Lobe en Herr, jede lebendige Zelle

Der Herr sei mit euch – Und mit deinem Geiste

Der Gruss setzt sich ein hohes Ziel: «Er ruft der versammelten Gemeinde die Gegenwart des Herrn ins Bewusstsein.» (AEM 28). Die Frage, ob die Übersetzung nicht auch indikativische heissen könnte «Der Herr ist mit euch», wir immer wieder diskutiert (vgl. u.a. den Gruss des Engels an Maria: Dominus tecum: Der Herr ist mit dir). Ebenfalls diskutiert wird die Antwort: Und mit deinem Geiste. Der Messordo der Katholiken Englands und Irlands übersetzt: «And also with you».  Chrysostomus bezieht «deinen Geist» auf den Heiligen Geist [PG 62, 659f.], der dem Bischof und Priester kraft seines Amtes innewohne. Diese Interpretation ist seit dem Mittelalter normativ geworden. Heute neigt man dazu, Geist als ein Synonym für den Herrn selbst (nach 2 Kor 3,17 u.ä.) zu verstehen. Angeredet würde so nicht der Mensch, auch nicht seine Seele oder ein Teil seines Selbst, sondern sein «Pneuma»‚ die ihm in Christus verliehene Teilhabe am göttlichen Leben. Die Überzeugung, dass uns im Mitchristen der Herr begegnet, würde so ihre sprachliche Verdichtung finden. Schwierig wird die Diskussion sicher dann, wenn Geist strikt auf die dritte göttliche Person gedeutet wird und der im geweihten Amtsträger anwesende Geist von der Anwesenheit des Herrn in der ganzen Gemeinde der Christen abhebt.

Walter Wiesli

 



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