Katholisches Gesangbuch

Das Cantionale   

Bedeutung des Kantoren- und Kantorinnen-Dienstes  

Die Allgemeine Einführung ins Messbuch (AEM) sieht vor, dass in einer Messfeier «ausser dem Priester ...in der Regel ein Akolyth, ein Lektor und ein Kantor mitwirken.» [AEM Nr.78]. Die Pastorale Einführung zum Messlektionar (PEML) präzisiert: «Es soll in jeder Gemeinde und geistlichen Gemeinschaft Laien geben, die die Kunst des Psalmodierens und des verständlichen Vortrags beherrschen.» [Nr. 56]. Die vielen unterschiedlichen Gesangsgattungen des KG rufen nach verschiedenen Gesangsdiensten, die die Gemeinde allein nicht leisten kann, unter andern sind dies Kantoren, Kantorinnen, die Schola und der Chor. Das Cantionale, das in enger Anbindung ans KG geschaffen wurde, bietet zwei Gesangstypen für eben diese Dienste: Die Vorsängerpsalmodie und Chorsätze zur Unterstützung der Gemeinde. Gesänge mit einer Null als erster Ziffer ergänzen das KG (sie finden sich nicht im KG), alle andern Gesangsnummern decken sich mit dem KG.

In den Psalmen begegnen wir dem ältesten und umfangreichsten Gesangsgut der Liturgie. Sie führen nicht nur an die Wurzeln christlichen Betens, sondern auch zu Jesus, den die Jünger in der Passion als den paradigmatischen Psalmbeter erlebt haben (in den Psalmen 22,31, 42/43,69). Ob die jungen Christengemeinden auch Anleihen bei der synagogalen Singpraxis gemacht haben, ist ungewiss. [J.A. Smith, The Andent Synagogue, 1984, 1-16]. Die christliche Psalmodie scheint ihren Ursprung im Lesegottesdienst zu haben, wobei die Psalmlesung ihrer Eigenart entsprechend, kantillierend (als Sprechgesang) vorgetragen wurde. Dies ist einer Feststellung des Athanasius (4.Jh.) zu entnehmen, die bei Augustinus zitiert wird.[...tam modico flexu vocis faciebat sonare lecturam psalmi (Conf. IX,33)].

Das System der acht resp. neun Psalmtöne (nebst andern irregulären Tönen) taucht erstmals in fränkischen Quellen des 9.Jahrhunderts auf. Es war dies ein Versuch der Systematisierung, die dem modalen Reichtum der Gregorianik nicht vollumfänglich gerecht wird.

Die Cantionale-Psalmodie

Die meisten deutschsprachigen Psallierweisen halten sich in irgend einer Weise an ein tenorales Modell, d.h. dem hebräischen Bauprinzip des «Parallelismus der Verszeilen» folgend rezitieren sie den Text der Halbverse auf einem Rezitationston, der strukturiert wird durch das Initium (Formel zum Beginn), die Mediante (Mittelformel) und die Finalis (Schlussformel). Bei aller Vielfalt dieser Psalmodien zeigen sich immer wieder die gleichen Probleme, die vor allem in den Kadenzen aktuell werden (z.B. schwere Schlüsse, durch welche die Kadenzen verstümmelt werden, vgl. die Correpta). In der «Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift» (1975) versuchte man mit geeigneten Maßnahmen diesen Konflikten zu begegnen. Dies führte zu einer Kompromisslösung, die bei sprachgerechtem Umgang mit der traditionellen Psalmodie, die das Gotteslob (1975) und das KG (1998) übernommen haben, vertretbar ist. Das Cantionale bietet diese Psalmodie als Singweise I in den 39 Antwortpsalmen an. Für wenig geübte Sängerinnen und Sänger ermöglicht sie einen einfachen Zugang zur Vorsänger- und Vorsängerinnen-Psalmodie, die in der Singweise II eine geradlinige Weiterführung findet.

CN-Singweise ICN-Singweise I
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Für diese Singweise I gilt, was in der Gemeindepsalmodie insgesamt zu beachten ist: Vortragende sollen die Chance nutzen, dass sie im solistischen Vortrag bezüglich der Gestaltung freier sind als im Chorgesang. Während der Leitvers im Tagzeitengebet den Psalm nur zu Beginn und am Schluss meditativ «einfärbt», ist er im Antwortgesang das eigentliche «Leitmotiv», mit dem die Gemeinde den Psalm meditiert. Sie sollte diesen Leitvers nach Möglichkeit auswendig vortragen, was eine meditative Verinnerlichung erleichtert.

CN-Singweise IICN-Singweise II
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Aus der traditionellen Psalmodie entwickelten sich weitere Formen, die das tenorale Prinzip auf mehrere Rezitationsebenen ausweiten oder mit aufwendigerem Formelmaterial und freieren Rezitativen praktisch aufgeben. Damit besteht die Möglichkeit, Schwächen der traditionellen Psalmodie zu glätten. In diese Richtung geht das Münchener Kantorale (1991-1995), dem die  Singweise II der erwähnten 39 Antwortpsalmen entnommen wurde. Sie beruhen im Wesentlichen auf den Commune-Texten des Lektionars (23 Psalmen), die durch weitere Antwortpsalmen der gleichen Edition angereichert wurden. Ihre Herkunft und Ähnlichkeit mit der traditionellen Psalmodie ist in einzelnen Modellen offensichtlich, so beispielsweise in 06.2 und 06.4, wo der IV. Ton ganz einfach erweitert wird. Gelegentlich werden wie in Nr. 09.3 zwei traditionelle Psalmtöne (IV und III) wörtlich oder paraphrasierend kombiniert. Andere Vertonungen geben sich melodiefreudig, erweitern die musikalischen Mittel zugunsten einer stärkeren Textnähe (015.4).

In der Singweise II und III gilt es, das kadenzale Geschehen besondere aufmerksam zu beachten.  Grundsätzlich werden vor Phrasierungs- oder Pausenzeichen keine rhythmischen Vermerke (z.B. Verbreiterungen, Dehnungen) angegeben. Es wird als selbstverständlich vorausgesetzt, dass Binnen-, Neben- und Hauptkadenzen mit angemessenen Ritardandi vorbereitet, Akzente subtilbetont und Nebensilben auf Hochtönen diskret «abgefedert» werden (vgl. IV. Ton: ...und dem Heiligen Geiste). Vor einem Halb- oder Ganzstrich verlangsamt sich der Fluss kontextbedingt. Starre Regeln dazu gibt es nicht. Das modale, sprach-rhythmische und kadenzale Umfeld ist dafür entscheidend. Wer sich vom richtigen Sprechrhythmus leiten lässt, macht keine gravierenden Fehler. Dem Antwortpsalm und dem Ruf vor dem Evangelium sollte – wenn überhaupt – nur eine diskrete akkordische Begleitung unterlegt werden. Für die Singweise II wurde im CN keine Begleitung vorgesehen. In jedem Fall soll die Begleitung nur als diskrete Stütze die Singstimme tragen, die mit Vorteil nicht mitgespielt wird.

CN-Singweise IIICN-Singweise III
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Um für nicht-tenorale Psallierweisen überhaupt Modelle verwenden zu können, muss der Text nach bestimmten Regeln aufbereitet werden. Die meisten Lösungen streben eine bestimmte Anzahl von Hebungen innerhalb eines Verses resp. aller Verse an. Alle Kadenzen müssen entweder schwer oder leicht sein und zwischen den Hebungen darf es nur eine bestimmte Anzahl von Senkungen geben. Eine solche Textbearbeitung macht es möglich, die Sinnakzente in jeder Strophe an der gleichen Stelle zu platzieren. Diese gute, aber auch anspruchsvolle Lösung Verwirklicht die KGB-Psalmodie (1966). Die Übersetzung nach dem hebräischen Text schuf Prof. Eugen Ruckstuhl; die von Prof. Franz Brenn entwickelten Prinzipien verwirklichte musikalisch Bruno Zahner als offene Stufenpsalmodie.

CN-Singweise IVCN-Singweise IV
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Als vierte Singweise bietet das Cantionale 13 Falsobordone-Sätze an. «Falsobordone» (vom franz. «Fauxbourdon») ist seit dem späten 15.Jahrhundert ein Sammelbegriff für Akkordrezitation resp. Akkorddeklamation von vorwiegend rezitativischen Sätzen. Diese Technik wurde von fast allen namhaften italienischen Komponisten des 16.Jahrhunderts verwendet. Dabei spielte das versweise Alternieren zwischen Einstimmigkeit und Mehrstimmigkeit eine bedeutsame Rolle. Dem Zeitstil entsprechend findet sich die Psalmmelodie gelegentlich im Tenor. Die Trennung von Choralschola und Figuralchor erlaubte überraschungsreiche Raumeffekte und machte u.a. auch die Teilnahme der Gemeinde möglich. Die Sätze von Cesare de Zaccaria (oder Caesare de Zachariis, vor 1590) wurden von Matthias Kreuels (Freiburger Chorbuch, Carus-Verlag) aufbereitet. Die ungeraden Verse werden von der Gemeinde oder von einer Schola in den traditionellen Psalmtönen gesungen, der Chor gestaltet mehrstimmig die geraden Verse, an die sich jeweils der von der Gemeinde vorgetragene Leitvers anfügt.

Das Cantionale erhebt nicht den Anspruch, die einzige und idealste Form einer Vertonung des Antwortpsalms anzubieten. Es besteht inzwischen ein reiches Angebot, das den unterschiedlichsten Vorstellungen und Ansprüchen gerecht wird. Es lohnt sich, auch diese Vertonungen einzusehen.

Kantillation

Der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sich verbreitende Begriff «Kantillation» stammt aus dem Italienischen und meint ein Rezitativ unter Beachtung der dem Text innewohnenden Rhythmik und Musikalität insgesamt. [...una amplificazione (sia pure stilizzata) dei valori fonici, prosodici, ritmici, metrici e sintattici e infine melici di un dato testo. G. Stefani, L ’arte del populo celebrante, S.50]. Jedes Wort und jeder Satz hat eine eigene sprachrhythmische Struktur; bei gehobener Sprache ergibt sich auch ein erkennbarer Melodieverlauf und eine je spezifische Dynamik. Weil die Differenziertheit solcher Abläufe mit keiner Notation wiederzugeben ist, verwendet man dazu heute häufig eine halslose Notenschrift. Sie deutet an, dass Sprechgesang nicht an ein Taktschema gebunden und die Notendauer nicht metrisch bestimmt ist. «Melodien in dieser Notation verlangen ein durch den Sprechrhythmus bestimmtes Singen, d.h. die Tonlängen entsprechen ungefähr den natürlich gesprochenen Silben» (KG S.20). Noch einfacher gesagt: Man singt wie man spricht, ̶  mit allen Abstufungen wie stark, schwach, betont, unbetont, gedehnt, flüchtig usw. Dass dabei statt der Sprech- die Singstimme verwendet wird, darf die Sprechdeklamation nicht verändern. Die Gleichartigkeit der Noten darf nicht dazu verführen, diese gleich lang zu singen (Äqualismus). Man entnimmt dem Notenbild gewissermassen nur die Tonhöhe, der Rhythmus entspricht der Sprechdeklamation.

Für eine sprachgemässe Deklamation bilden im Wortsatzgefüge die Gliederungszeichen eine wichtige Rolle. Es sind dies die gleichen Zeichen, wie sie auch die gregorianische Notenschrift verwendet. Bekanntlich haben sie nichts zu tun mit den Taktstrichen und sind zunächst keine Pausen, sondern Gliederungszeichen. Je nach der Grösse des Zeichens (Komma, Viertelstrich, Halbstrich, Ganzstrich, Doppelstrich) bewirken sie in der Regel eine geringe oder etwas grössere Verbreiterung der vorausgehenden musikalischen Einheit. Dies kann eine Einzelnote oder ein Motiv sein.

Der Viertelstrich versteht sich vielfach nicht als Atemzeichen. Aus dem Zusammenhang kann man erkennen, ob er kadenzalen Charakter hat und somit eine Atemzäsur angebracht ist. Beim Halbstrich darf man atmen ohne allerdings den rhythmischen Fluss zu unterbrechen. Der Ganzstrich bedeutet in der Regel eine Zäsur vom Wert einer Note. Der Doppelstrich findet sich am Ende eines Stücks oder deutet innerhalb eines Gesangs den Wechsel zwischen zwei Chorhälften an (z.B. Vorsänger und Gemeinde). Führt eine einzige Gruppe den Gesang aus, so hat der Doppelstrich die Bedeutung eines Ganzstrichs.

Zwei weitere Interpretationshilfen finden sich innerhalb des Melodieverlaufs: Das waagrechte Episem (–) und das Komma (,) auf der obersten Notenlinie «Hochkomma»genannt.

Das Episem meint wie in der Gregorianik eine Verbreiterung des Tones, die sich aus dem Kontext ergibt. Eine Verdoppelung des Notenwertes ist meist zu lang. Öfters handelt es sich um kleinste Nuancen einer Dehnung, wie dies in der gesprochenen Deklamation ebenfalls geschieht. Das Mass der Verbreiterung wird auch vom melodischen Kontext mitbestimmt. Im rezitativischen Verlauf auf tenoraler Ebene meint es meistens nur ein nachdrücklicheres Artikulieren der Silbe, während es im Verlauft einer grösseren Intervallabfolge gelegentlich eine ausgeprägtere Verbreiterung zulässt. Episeme stehen grundsätzlich nur auf langen Silben. Kommt es ausnahmsweise (wegen früherer Schreibweise) einmal auf einer kurzen Silbe zu stehen (z.B. auf Doppellauten wie «Reich»), dann hat es eine ähnliche Funktion wie das Hochkomma.

Das Hochkomma meint eine Art «retardierender Agogik», die Energien anstaut und die Spannung auf das Nachfolgende herüberführt, also nicht unterbricht. In der Gregorianik gibt es in der «mora vocis» ein vergleichbares Phänomen: Sie schafft keine Trennung von Teilen oder gar eine Pause, sondern drängt auf eine spannungsgeladene Hinordnung zweier Wörter, Satzteile oder Motive. Das erwähnte Hochkomma findet sich nur nach kurzen oder unbetonten Silben. Es bewirkt ein minimal kurzes Anhalten – vergleichbar dem Anhalten auf dem Sprungbrett – um die im Augenblick angestaute Bewegungsenergie weiterzugeben. Häufig findet sich das Hochkomma in folgenden Situationen:

 

 

Artikulationshilfe:

Preis’ sei dem Vater

 

 

Interpunktionsstütze:

Stark ist Gott;’ er war mein Retter.

 

 

Kündet den Völkern:

«König ist der Herr»

 

 

Anreden, Ausrufe:

Herr,’ öffne meine Lippen

 

 

Appositionen:

Gut ist der Herr,’ unser König.

Mit den genannten Regeln, die mit einem Minimum notengraphischer Zusatzzeichen auskommen, ist eine sprachgerechte Kantillation möglich, die die natürliche Sprachdeklamation nicht behindert und zugleich die Authentizität der Ausführenden nicht einengt.

Psalmton und Leitvers

Mit der Übernahme einer Mehrzahl von Leitversen und der Gemeindepsalmodie aus dem «Gotteslob» wurden zwangsläufig auch dessen Prinzipien übernommen. Wir teilen die Ansicht der GL-Autoren, dass die überlieferten Psalmtöne einen hohen Traditionswert darstellen, auf den man ohne zwingende Gründe nicht verzichten sollte. «Sie sind elementare Rezitationsformen, die in ihrer Grundstruktur nicht an bestimmte Sprachen oder Sprachräume gebunden sind. Es ist darum falsch, sie als typisch lateinisch und daher der deutschen Sprache nicht angemessen zu bezeichnen». [Redaktionsbericht zum Gotteslob, Paderborn 1988, S.348]. Es wurden neun einfache Modelle gewählt mit je nur einer einzigen Schlussformel, «deren Anwendungsbereich gegenüber der Tradition stark erweitert wird: rhythmisch durch die Aufstellung neuer, der Eigenart der deutschen Sprache angepasster Textbehandlungsregeln, tonal durch die Aufhebung der unbedingten Bindung des Modells an eine bestimmte Kirchentonart ». [Fritz Schieri in: Denkschrift Gemeinde-Psalmodie in deutscher Sprache (1968). S. 357]. Man legte Psalliermodelle fest, die tonartlich nicht allzu exklusiv fixiert sind. «Da sie tonal mehr oder weniger offen sind, können sie verschiedenen Tonbereichen zugeordnet werden. Es ist nicht nötig, ein Modell ausschliesslich mit einer bestimmten Kirchentonart zu verbinden.» [Ebd.S.553]. Die Folge: «Zu jedem Psalmton können tonartlich verschiedene Kehrverse ausgewählt werden, da manche Psalmtöne miteinander verwandt und deshalb austauschbar sind.» [Ebd.S.360]. Relativ verwandt sind sich die Töne II, III, VIII, oder: I und IX. Die Töne II und VIII, wie auch die Töne I, III und IX lassen sich mit  den jeweils gleichen Textunterstreichungen singen. Das «Gotteslob» verbindet bedenkenlos das lydische Oster-Halleluja (KG 461) mit dorischen, sogar mit phrygischen Melodien. [Ebd. S.354 und 355]. Soweit geht das KG und das Cantionale nicht, obwohl auch hier tonale Spannungen vorkommen: h im Leitvers, b im Psalm: 013.1 / 013.2 oder umgekehrt: as gegen a: 023.1 / 023.2. Man kann durchaus auch die Meinung vertreten, dass solche Spannungen belebend wirken. Auf jeden Fall sollte man das Problem kennen, weil nur so die oft verschiedenen Vorzeichen zwischen Leitvers und Psalm zu erklären sind.

Die Angabe der Leitverse im Cantionale bezieht sich immer auf das KG, selbst wenn diese im Cantionale unter einer andern Nummer ebenfalls abgedruckt sind. Dies erleichtert das Anschlagen oder Ansagen vor der Gemeinde. In der Singweise II und IV findet man gelegentlich nach der Leitversnummer einen Asteriscus (*). Dies bedeutet: Dieser Leitvers ist in Anpassung an den angegebenen Psalm zu transponiert, d.h. höher oder tiefer zu setzen. Findet sich hinter dem Asteriscus keine weitere Information, so bedeutet dies: Dieser Leitvers wird zum Gebrauch (im Cantionale) bereits transponiert angeboten.

Findet sich hinter dem Asteriscus eine weitere Angabe in Klammer, dann muss die Transposition von den Ausführenden vorgenommen werden. Ein Beispiel: Die Leitverse in CN, 032.5 werden wie folgt angegeben:

 

 

Lv 614*

Meine Seele dürstet allezeit nach Gott (Lv tonartlich richtig)

 

 

Lv 625*

Meine Seele, preise den Herrn (Tonart f→ nach g transponieren)

Der Pfeil zeigt an, dass der KG Leitvers 625 (beginnend mit f) im CN auf g zu erhöhen ist. Man muss also den Lv einen Ton höher singen und begleiten.

Analoge Zuordnungen von Leitversen zu Psalmen oder andern Gesängen können auch anderswo aktuell werden. Fürs Erste ist darauf zu achten, dass der Leitvers auch tonartlich (modal) zu einem andern Gesang passt. Das KG gibt zu jedem Leitvers die möglichen Kirchentonarten an, so für KG 621: Ia VIIg. Die römische Ziffer bezeichnet die Tonart, d. h. KG 621 lässt sich mit dem Psalmton I oder VII kombinieren. Der Kleinbuchstabe meint den Rezitationston (Ténor): a für den I. Ton, g für den VII. Ton (wobei hier zwei Be vorzuzeichnen wären). Gelegentlich macht es auch Sinn, einen Psalm mit einem kurzen Kanon zu umrahmen. Auch dann kann die Frage der Transposition aktuell werden. Beispiele:

 

 

KG 556

Der Herr ist mein Hirte (Ka) passt tonartlich zu KG 611

 

 

KG 611.1

Psalm 23: Der Herr ist mein Hirte (bei f basierend)

 

 

KG 530

Ich will dir danken (Ka) muss für KG 621 abgesenkt werden:

 

 

KG 621.1

Psalm 92: Wie schön ist es, dem Herrn zu danken: von a→f !

Wenn der Leitvers oder der Psalm zu transponieren ist, dann sollte der Psalm nicht in eine unbequeme, zu tiefe oder zu hohe Rezitationslage gebracht werden. Im KG ist h die höchste und g die tiefste Rezitationsebene.

Das Halleluja als Ruf zum Evangelium

  • Die Bedeutung

Die Liturgie des Wortes entfaltet sich in einer geistlichen Dramaturgie von den Lesungen des Alten Testamentes zum Neuen Testament fortschreitend hin zum Höhepunkt, der Verkündigung des Evangeliums. Jesus Christus selbst, nicht nur seine Botschaft, ist gegenwärtig in seinem Wort. Deshalb wurde die Verkündigung des Evangeliums immer schon ausgezeichnet durch besondere liturgische Zeichen: Segensbitte des Verkünders, Evangelien-Prozession und deren Begleitung durch Leuchtenträger, Weihrauch u.a.

  • Die Ausführung

CN-Ruf zum EvangeliumCN-Ruf zum Evangelium
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«Das (in der Fastenzeit ein anderer entsprechender Ruf vor dem Evangelium) muss gesungen werden, und zwar nicht nur vom Kantor, der den Ruf anstimmt, oder von der Schola, sondern von der ganzen Gemeinde. Dabei stehen alle.» [PEML Nr.23]. Während der Fastenzeit ersetzt ein Christusruf das Halleluja. Wird nur eine Lesung gewählt, kann im Anschluss an den Antwortpsalm das Halleluja mit oder ohne Vers gesungen werden. Vereinfachend kann das Halleluja auch als Leitvers zum Antwortpsalm gebraucht werden. Die funktionale Verschiedenheit des Halleluja-Rufs und des Antwortpsalms könnte durch ein kurzes Zwischenspiel  ̶  während sich die Prozession zum Evangelien formiert   ̶  verdeutlicht werden. Beim Erheben des Evangelienbuches nach der Lesung kann das Halleluja nochmals gesungen werden. Weil der Ambo für die Evangelien-Prozession frei sein muss, soll der Ruf zum Evangelium an einer andern geeigneten Stelle im Chorraum vorgetragen werden.

  • Halleluja-Ruf im Cantionale

Im Cantionale wird nach jeden Antwortpsalm der Halleluja-Ruf zum Evangelium angefügt. Die Vertonung wächst aus dem vorgeschlagenen Halleluja heraus. Werden andere Halleluja-Rufe verwendet, sind der geschickten Improvisationskunst der Ausführenden keine Grenzen gesetzt. Bei der Verwendung anderer KG-Halleluja-Rufe geben die römischen Ziffern einen tonartlichen (modalen) Hinweis, in welchem «melodischen Milieu» sich die Kantillation des Verses bewegen sollte. Im Gegensatz zum lyrisch ausladenden Halleluja-Ruf bedient sich der Vers der Verständlichkeit wegen seiner syllabischen Schlichtheit (je Silbe nur eine Note). Für Ostern und Pfingsten ist die Sequenz vorgesehen (KG 433/483). Sie kann mit dem Ruf «Amen, Halleluja» schliessen (dieser Schluss fehlt in der authentischen Fassung).

Halleluja-Coda

CN-Halleluja-CodaCN-Halleluja-Coda
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Am Schluss des Cantionale finden sich zehn Halleluja-Codas (Halleluja-Anhängsel). Sie können zur klanglichen Entfaltung an den Halleluja-Ruf der Gemeinde angefügt werden und auf die Weise das Gewicht der Christus-Botschaft unterstreichen. In der nachfolgenden Zusammenstellung werden mögliche Kombinationen von Halleluja-Rufen und Halleluja-Codas aufgeführt. Die Transpositionen in Klammern betreffen stets den ersten Ton des KG-Hallelujas.

Mögliche Kombinationen von Halleluja-Codas mit Halleluja-Rufen im KG:

 

 

0140 Halleluja:

88/ 88.2/ 88.3 (g→a) / 88.7/ 429.1/ 500.2

 

 

0141 Halleluja:

88 (f→g) / 88.2 (c→d) / 88.4/ 88.7 (c→d) / 500.2 (f→g)

 

 

0142 Halleluja:

88.7 (c→d; 0142: e→d) / 88.4 (d→e) / 91/ 692

 

 

0143 Halleluja:

88.2/ 88.3 (g→a) / 89 (a→c) / 429.1/ 500.2

 

 

0144 Halleluja:

88/ 88.1/ 88.2/ 88.4 (d→c) / 359.3/ 429.1/ 500.2

 

 

0145 Halleluja:

88.1 (g→a) / 88.4 (d→e) / 91/ 429.1 (f→a)

 

 

0146 Halleluja:

komponiert für 88.1 (möglich für 315.4)

 

 

0147 Halleluja:

komponiert für 88.2 (möglich für 429.1/ 500.2)

 

 

0148 Halleluja:

komponiert für 88.4 (möglich für 88.7 (c-.d»

 

 

0149 Halleluja:

komponiert für 88.6 (möglich für 88.1/315.4)

Wenn Gemeinde-Rufe eine zu exponierte Höhe erreichen, kann auch der Chorsatz etwas tiefer gesungen werden (z.B. 0142 in G-dur).

Mehrstimmigkeit im Cantionale

  • Das Anliegen

170 Seiten des Cantionale widmen sich der Mehrstimmigkeit. Dabei handelt es sich mehrheitlich um sogenannte Plus-Lieder (+) aus dem Reformierten Gesangbuch der Schweiz (1998), um 87 Gesänge, die wir mit unsern reformierten Mitchristen gemeinsam singen. Sicher hätte man die restlichen 40 Seiten Mehrstimmigkeit (Falsobordone-Sätze, Halleluja-Codas) mit weiterer Chorliteratur anreichern können. Der Schwerpunkt auf dem Lied wurde bewusst gesetzt. Das Cantionale möchte dem Wunsch der Chöre nach einem engeren Zusammenwirken mit der Gemeinde entgegenkommen und die vermehrt stattfindenden ökumenischen Gottesdienste bereichern. Das KG ist auf ein ausgeprägt rollenspezifisches und dialogales Feiern ausgelegt. Den Vorsängern, Vorsängerinnen und dem Chor kommt nicht nur ein Verschönerungsauftrag zu; sie alle singen nicht zur, sondern die Liturgie. Im Wahrnehmen von Aufgaben, die die Gemeinde nicht leisten kann, verhilft der Chor zu jener Ausdrucksfülle des Feierns, die der Liturgie angemessen ist. [vgl. RG S.12].

  • Die Eigenart

Die Chorsätze sind hauptsächlich homophon gesetzt. Nach Möglichkeit wurden Originalsätze der Komponisten übernommen. Neue Sätze wurden im Stil der Melodie erstellt. Die meisten eignen sich auch als Instrumentalsätze (z.B. als Bläsersätze). Um das Singen zu erleichtern, wurden alle Strophen den Noten untersetzt, was öfters zu einem mehrmaligen Abdruck eines Satzes führte. Eine zweite oder dritte Wiedergabe wird dann mit der gleichen Nummer versehen. Nummern in Klammer bezeichnen die Fortführung des Satzes.

  • Die Verwendung

Ein reiner Chorvortrag eines Liedes mag bei verschiedenen Gelegenheiten als meditative Einlage willkommen sein. In der Regel wäre wünschbar, dass die Chormehrstimmigkeit sich alternierend mit dem Gemeindegesang verbindet. Um dies zu ermöglichen, wurden die Chorsätze in der jeweiligen KG-Tonart angeboten. Ein Alternatim-Singen kann im Strophenwechsel geschehen; es könnte auch eine interessante Klangsteigerung erreicht werden.

  • Beispiele:

 

KG 40

Nun jauchzt dem Herren, alle Welt

 

 

1. Str. Gemeinde

 

 

KG 41  Incipit-Kanon vom Chor gesungen

 

 

2. Str. Gemeinde

 

 

3. Str. Chor (SA)

 

 

4. Str. Chor, 4stg

 

 

5. Str. Chor und Gemeinde, zusätzlich Instrumente

 

KG 75

Allein Gott in der Höh sei Ehr

 

 

1. Str. Gemeinde

 

KG 77

Incpit-Kanon vom Chor gesungen

 

 

2. Str. Gemeinde

 

 

3. Str. Chor und Gemeinde

 

KG 554

Von guten Mächten wunderbar geborgen

 

 

Str. Gemeinde

 

KG 374.5

374.5  Gedicht  (Auswahlstrophe)

 

KG 553

Gott ist bei uns (Kanon) Chor und Gemeinde

 

KG 374.5

Gedicht  (Auswahlstrophe)

 

KG 554

Str. Chor und Gemeinde

                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Walter Wiesli




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